Vielfältig, smart, innovativ? Interaktive Whiteboards in Schulen

Vielfältig, smart, innovativ? Interaktive Whiteboards in Schulen
24
Jan

Zwei kurze Handbewegungen und das Tafelbild zoomt vom Weltall direkt auf die Umrisse der Bundesrepublik: Dank des interaktiven Whiteboards kein Problem. So wie im Erdkundeunterricht einer Hauptstadtschule hat bereits vielerorts die digitale Tafel ihr analoges Äquivalent abgelöst.Für viele Akteure scheint sie der zentrale Bestandteil der digitalen Bildung zu sein: Als der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle und Staatssekretär Georg Eisenreich im Oktober ihr Förderprogramm für digitale Klassenzimmer vorstellten, nannten sie mindestens „eine wie auch immer geartete digitale Tafel“ als Investitionsziel. Doch welchen Nutzen haben interaktive Whiteboards im schulischen Einsatz? Handelt es sich bei ihnen um eine sinnvolle Weiterentwicklung eines jahrhundertealten Lernmediums oder um technische Spielerei ohne echten Mehrwert?

Smartboard, interaktives Whiteboard, digitale Tafel?

Zunächst einmal ist es sinnvoll, zwischen verschiedenen Begrifflichkeiten zu unterscheiden. Häufig werden digitale Tafeln als Smartboards bezeichnet. Dabei handelt es sich streng genommen jedoch um die Namen eine Modellreihe des Herstellers SMART Technologies. Digitale Tafeln mit interaktivem Elementen werden herstellerunabhängig als interaktive Whiteboards (bzw. Interactive Whiteboards) bezeichnet.

Seit ihrer Entwicklung in den frühen 1990er Jahren haben sich die modernen Tafeln immer weiterverbreitet. Am häufigsten werden sie derzeit in Schulen und an Universitäten eingesetzt; aber auch im medizinischen Bereich und in Fort- und Weiterbildungsstätten sind sie zu finden. Ihr Aufbau ist relativ einfach: In der Regel bestehen sie aus einem großen, meist höhenverstellbaren, Whiteboard, einem davor positionierten Beamer sowie einem damit verbundenen Computer. Je nach Variante und Modell lassen sie sich per Touch-Funktion, Stift oder Computer bzw. Tablet bedienen. Inzwischen gibt es auch vereinzelt schon Modelle, die aus einem großen Touchdisplay bestehen und daher ohne Beamer auskommen.

Eine Erweiterung der Möglichkeiten

Im Vergleich zu ihren dunkelgrünen Vorgängern, können interaktive Whiteboards mit einer Reihe an Vorteilen glänzen. Abbrechende Kreide, unansehnliche Schwämme und schmutzige Hände sind genauso passé wie der unbeliebte Tafeldienst.

Vorbei auch die Zeiten, in denen das Erstellen komplexer Tafelbilder viel Zeit in Anspruch genommen hat. Interaktive Whiteboards ermöglichen es Lehrenden, diese im Vorfeld am Computer zu entwerfen, abzuspeichern und nach dem Unterricht direkt an ihre Schüler weiterzuleiten oder mit Kollegen zu tauschen. Zudem lassen sich komplexe Grafiken und detaillierte Koordinatensystem digital sehr viel genauer und besser darstellen als auf dem klassischen Weg.

Gerade darstellungsintensive Fächer können hiervon profitieren, wie das Eingangsbeispiel verdeutlicht hat. Statt mit vergilbten Landkarten an großen Stativen, lernen die Schüler anhand von neuestem Kartenmaterial, das sich problemlos drehen und wenden, verkleinern und vergrößern lässt.

Ob aufwendige 3D-Animationen, Videos, Word-Dokumente oder Power-Point-Präsentationen – mit den interaktiven Whiteboards lassen sich fast alle im Unterricht verwendeten Medien problemlos und ohne Medienbruch darstellen. Das spart Zeit und erlaubt neue Lehrszenarien- und -methoden.

Vergleichsweise hohe Kosten

Der Einsatz der digitalen Tafeln ist indes mit einem zeitlichen wie finanziellen Mehraufwand verbunden. Je nach Ausstattung, fallen Anschaffungskosten im mittleren vierstelligen Bereich an. Zusätzlich entstehen weitere Kosten durch Fortbildungsmaßnahmen für die Lehrenden und die Wartung der Geräte. Letztere kann vor allem nach Ablauf der Garantiefrist zum Problem werden. Um dem zu begegnen gründen Kommunen, wie etwa Erlangen-Fürth, schon eigene Wartungs-Services.

Sollen die technischen Möglichkeiten der interaktiven Whiteboards adäquat genutzt werden, müssen darüber hinaus eigens konzipierte Inhalte erworben werden. Zwar gibt es inzwischen auch eine Reihe kostenloser Unterrichtsmaterialien, gleichwohl lässt sich mit diesen der Bedarf noch nicht decken.

Mehr Evolution als Revolution

Die unterschiedlichen Nutzungsmuster mögen die digitalen Tafeln attraktiv machen – sinnvoll ist ihr Einsatz allerdings erst dann, wenn sie adäquat eingesetzt werden. Als bloßes Abspielmedium für Präsentationen und das ein oder andere Video sind sie vergeudet. Hierfür genügen wesentlich günstigere und zudem mobilere Beamer.

Auch ist umstritten, ob die Whiteboards zu mehr Medienkompetenz seitens der Schüler führen. Durch ihr Format sind sie weder von mehreren Lernenden gleichzeitig nutzbar noch besonders flexibel. Vielmehr scheint es sich um einen moderneren Frontalunterricht zu handeln. Eher Evolution als Revolution, könnte man meinen.

Ralf Lankau, Professor für Mediengestaltung und Medientheorie an der Hochschule Offenburg und Kritiker des Einsatzes von Digitaltechnik im Unterricht, sieht indes noch einen weiteren Kritikpunkt:

Werkzeug und Material haben immer Auswirkung auf den Gestaltungsprozess. Zeichnen oder Schreiben am Smartboard hat einen anderen sinnlichen Charakter. Die Schrift und ihr Charakter ändern sich. (Heise, 07. Juni 2017)

Der Erfolg hängt vom Lehrenden ab

Schlussendlich hängt der Erfolg des Einsatzes von interaktiven Whiteboards von den Lehrenden ab. Wenn sie deren Potenziale sinnvoll nutzen, können sie den Unterricht interaktiver und abwechslungsreicher machen. Eine digitale Tafel allein reicht aber nicht, um aus einem Schulraum ein digitales Klassenzimmer zu machen.