Multimediales Schulbuch – ein Blick in die Zukunft des Lernens?

Multimediales Schulbuch – ein Blick in die Zukunft des Lernens?
11
Okt

Das gedruckte Schulbuch als statisches, unveränderliches, gleichförmiges Lernmittel entspricht in vielen Hinsichten dem industriellen Denken des 19. Jahrhunderts: Alle sollen zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche lernen. Wir befinden uns aber mitten in einem radikalen Umbruch. Digitales Denken diversifiziert Lernanforderungen und -bedürfnisse, verändert bisherige Raum- und Zeitvorstellungen und birgt individuelle Kreativitätspotentiale. Ein grundlegender Wandel von der uniformen Wissensschule zur individuellen Kompetenzschule zeichnet sich ab, der nach neue Unterrichtsformen und digitalen Methoden verlangt. Ein multimediales Schulbuch könnte die Antwort sein. Von Florian Sochatzy

Digitale Bildung als gesellschaftliche Notwendigkeit

Die heutige und zukünftige digitale Arbeitswelt wird bald keinen Platz mehr für diejenigen zur Verfügung stellen, die nicht eigenständig, selbstverantwortlich, teamfähig, kreativ und digital kompetent agieren können. Ob diese Diagnose als bedauerns- oder begrüßenswert bewertet wird, ist irrelevant, da diese digitale Arbeitswelt bereits heute in vielen Bereichen eine Tatsache ist. Wenn verhindert werden soll, dass eine gewaltige gesellschaftliche Kluft zwischen ‚digitaler Elite‘ und ‚analogem Prekariat‘ entsteht, muss Schule sich der Aufgabe (digitaler) Kompetenzförderung annehmen. Nur so können Schüler für ein Leben in einer sich immer schneller verändernden Welt vorbereitet werden, in der Wissen jederzeit verfügbar ist, (digitale) Kompetenzen jedoch den radikalen Unterschied zwischen ‚oben‘ und ‚unten‘ in einer Gesellschaft definieren werden.

Radikale Veränderungen in allen Bereichen der schulischen und universitären Bildung

Die in allen deutschen Lehrplänen verankerte Kompetenzorientierung kann konkrete Antworten auf die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt geben, indem anwendbares, übertragbares und nicht ‚totes‘ Wissen systematisch aufgebaut wird. In den Lehr- und Lernmaterialien und damit im Unterricht kommt die Kompetenzorientierung jedoch nur schleppend an, da diese Art zu unterrichten an vielen Stellen ein grundsätzliches Umdenken schulischer Bildungstraditionen erfordert. Das alte Paukfach Geschichte (und natürlich auch andere Fächer) ist viel einfacher zu unterrichten und zu kommunizieren als das ’neue‘ Denkfach. Jedoch kann nur ein grundlegender Wandel von der uniformen Wissensschule zur individuellen Kompetenzschule adäquat auf die Herausforderungen der digitalen Welt reagieren. Dies bedeutet Anpassungen, aber auch radikale Veränderungen in allen Bereichen der schulischen und universitären Bildung: Lehrerausbildung, Lehrerfortbildung, allgemeine Rahmenbedingungen von Schule, Finanzierung von Ausstattung etc. Mehrere Studien konnten zeigen, dass vor allem diejenigen Lehrer digitale Lernmittel erfolgreich anwenden, die offen für schülerzentriertes, konstruktivistisches Lehren und Lernen sind. Für den traditionellen, (grund-)wissenszentrierten Unterricht sind digitale Lernwerkzeugen wenig erfolgversprechend. Kompetenzorientierung und Digitalisierung ergänzen sich folglich gegenseitig zu einem größeren Ganzen.

Nicht von der Technik, sondern von der Neukonzeption digitaler Lernmaterialien hängt das Gelingen ab

Ein entscheidender Schritt hin zu einer kompetenzorientierten, digitalen Schule ist nicht nur eine hochwertige technische Ausstattung, sondern vor allem auch die konsequente Neukonzeption digitaler Lernmaterialien. Schulen werden sich aber verständlicherweise erst dann um eine umfassende technische Ausstattung kümmern, wenn ausreichend hochwertige Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stehen. Die Zukunft bzw. Nachfolge des analogen Schulbuchs wird in diesem Kontext kontrovers diskutiert. Die einen wollen es zu Gunsten einer digitalen, frei veränderbaren und eigenständig strukturierbaren Bausteinlösung ohne roten Faden abschaffen, andere halten am hergebrachten, gedruckten Leitmedium Schulbuch fest. Als Mittelweg zwischen den Extremen wird im Workshop das mBook, multimediales Schulbuch für das Fach Geschichte, zur Diskussion gestellt.

Über den Workshop – multimediales Schulbuch als Beispiel vorgestellt

Inwiefern ein multimediales Schulbuch zur Lösung der geschilderten Herausforderungen beitragen kann, wird im Workshop zur Diskussion gestellt. Dabei wird ein konkretes Praxisbeispiel, das digitale Schulbuch ‚mBook Geschichte‘ vorgestellt. Anhand dieses Beispiels werden mögliche neue Denkweisen und Formen des Unterrichts kritisch reflektiert. Das Georg Eckert Institut für internationale Schulbuchforschung, die Kultusministerkonferenz und die Bundeszentrale für politische Bildung zeichneten das mBook auf der Leipziger Buchmesse als erstes digitales Schulbuch des Jahres aus. Auf der Frankfurter Buchmesse gewann das mBook den renommierten Funktions- und Design-Preis Deutscher eBook Award im Bereich Nonfiction.

Über den Teilgeber Dr. Florian Sochatzy

Dr. Florian Sochatzy studierte Englisch, Geschichte und Geschichtskultur an der Universität Eichstätt-Ingolstadt. 2008-2016 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der dortigen Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte. Seit 2010 leitet er als Geschäftsführer das Institut für digitales Lernen.

Seit vielen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit didaktisch und methodisch fundierten digitalen Lehr- und Lernmedien. Seine Dissertation beschreibt die Konzeption, Produktion und empirische Überprüfung eines multimedialen Geschichtsbuchs (mBook).

Kontakt:

FB: https://www.facebook.com/florian.sochatzy
Twitter: @FloJo80
www.mbook.schule
www.institut-fuer-digitales-lernen.de
http://blog.multimedia-lernen.de